A u d i o s k r i p t
Stefan Geiger
8.
Stefan II - Gruppe
Der
innere Beobachter
Seid gegrüßt,
liebste Freunde! Der Titel in dieser Vortrags- und Übungsreihe, das sagen wir
auch für die neu Angekommenen, ist "Freiheit, Individualität und
Liebe".
Wir wollen uns
heute insbesondere mehr mit dem Thema der
F r e i h e i t beschäftigen,
und zwar mit der Frage: Wie kann man es denn anstellen, was kann man denn tun,
damit man sich selbst freier fühlt, freier mit sich selbst, freier z.B. in
seiner Wohnung, freier anderen Menschen gegenüber, an seinem Arbeitsplatz oder
in der Freizeit? Was kann man dafür tun?
Wenn ihr euch
beobachtet, merkt ihr, daß ihr euch oftmals nicht frei fühlt, daß ihr euch
nicht getraut, so zu sein, wie ihr gerne wäret. Es fällt euch schwer, frei zu
sagen, was ihr wollt, frei zu tun und frei auszudrücken, was ihr wollt, oder
euch gar frei zu bewegen in oder mit eurem Körper. Ihr könnt feststellen, daß
eure Freiheit immer wieder eingeschränkt ist und daß ihr euch nicht wirklich
frei fühlt. Frei bedeutet, lebendig sein, sprudelnde Energien besitzen, lustig
sein, es bedeutet, den Moment genießen, das genießen, wo man sich im Moment
befindet, was auch immer man tut.
Um diesen
Aspekt der Freiheit zu erhöhen, möchten wir euch heute vorschlagen, so etwas
wie einen I n n e r e n B e o b a c h t e r zu entwickeln. Innerer Beobachter heißt, daß
ihr einen Bewußtseinspunkt habt in euch oder einen Beobachtungspunkt in euch,
den ihr ganz persönlich einnehmen könnt, um wahrzunehmen, wie ihr reagiert, wie
ihr agiert, um ein wenig von außen wahrzunehmen, welche Gefühle auftauchen, um
etwas von außen wahrzunehmen, z.B. daß man sich jetzt gerade über etwas ärgert.
Innerer
Beobachter zu sein, bedeutet, die Möglichkeit zu besitzen, ein klein wenig aus
sich herauszutreten, sich selbst zu beobachten aus einer gewissen Distanz
heraus. Das bedeutet nicht, daß man sich von dem Leben distanziert oder aus
seiner Situation heraus distanziert, indem man Mauern um sich herum baut,
sondern es geht um so etwas wie einen inneren Abstand zu den Automatismen, die
in euch drin ablaufen.
Viele Menschen
sind zwar wach, könnte man meinen. Viele Menschen leben ihren Alltag, und man
sagt, sie sind wach, aber wenn man genau hineinschaut, kann man beobachten, daß
sie oft automatisch reagieren, daß sie Gewohnheiten folgen, daß sie das tun,
was sie sowieso jeden Tag tun, und daß vieles nicht bewußt getan wird, sondern,
wenn man böswillig wäre, würde man sagen, in einer Art Dämmerzustand. Es gab
auch schon Philosophen, die zu diesem Zustand Schlafzustand gesagt haben. Sie haben
damit versucht zu beschreiben, daß viele Menschen insofern nicht wirklich wach
sind, daß ihnen nicht bewußt ist, wie sie agieren, reagieren und wie sie in der
Welt sind.
Um dieses B e w u ß t s e i n geht es. Das ist es, was wir meinen, wenn
wir vorschlagen, einen inneren Beobachter zu entwickeln. Der innere Beobachter
ist der Punkt, von dem aus ihr Bewußtsein entwickeln könnt. Bewußtsein bedeutet
erst einmal, euch selbst genau kennen zu lernen, eure inneren Mechanismen
kennen zu lernen, die Art und Weise kennen zu lernen, wie eure Psyche arbeitet,
wie eure Gefühle entstehen, wann sie auftauchen, welche Reaktionsmuster es in
euch gibt. All dies kann geschehen durch Beobachtung aus dem Punkt heraus, den
wir inneren Beobachter nennen wollen.
Die Entwicklung
oder das Wachsen von persönlichem Bewußtsein wird dadurch in extremer Weise
gefördert. Dieses Wachstum von persönlichem Bewußtsein, und dies ist nur eine Anmerkung nebenbei,
steht in Verbindung mit dem W a c h s t
u m v o n B e w u ß t s e i n , was zur Zeit am Ende dieses Jahrtausends in
eurem Kulturkreis stattfindet. Sehr viele Menschen beschäftigen sich mit diesen
Themen. Bewußt umzugehen miteinander oder zum Beispiel mit der Umwelt, bewußter
umzugehen mit seinen Kindern, mit anderen Menschen, mit seinem Leben überhaupt,
ist im Moment sehr oft Thema für Menschen.
Und das hat
seinen Grund. Es ist eine Zeitqualität, in der die Menschheit als Ganzes
versucht, aus einem Zustand herauszugehen, der eher als automatisches Erleben
und als Ausprobieren der Mechanismen, die der menschlichen Psyche zur Verfügung
stehen, beschrieben werden könnte. Das Dasein, das viele Menschen als leidvoll
empfinden, entwickelt sich dahin, daß die Energien und die Kräfte tatsächlich
verwendet und eingesetzt werden und damit das Leben bewußt so gestaltet wird,
wie es der inneren Absicht und der höchst eigenen Lebensfreude entspricht.
Dahin zu
kommen, ist, wenn man so will, Ziel der menschlichen Bewußtseinsentwicklung am
Ende dieses und noch zu Beginn des nächsten Jahrtausends. Es ist, und seid euch
dessen ruhig bewußt, es ist eine interessante Zeitspanne, in der das Bewußtsein
überall durchbricht. Es gibt überall Tore, bei denen ihr wahrnehmen könnt, daß
ein solches Bewußtsein, d.h. auch ein Wissen um den Menschen überhaupt und
seine Psyche und sein Funktionieren und seine Kräfte an verschiedenen Orten in
eurem Kulturkreis durchbricht und sichtbar wird.
Der innere
Beobachter kann sich entwickeln mit der Zeit zu etwas, was man eher den i n n e r e n L e n k e r oder
Steuermann bezeichnen könnte, d.h. ein Teil, eine Instanz in euch, die euch als
Mensch mit seinen Funktionsweisen gut kennt. Dieser gehört natürlich auch zu
euch und kann von seinem Standpunkt aus und mit dem Bewußtsein, Wissen und der
Erfahrung, die er als Beobachter gesammelt hat, euer Leben neu gestalten. Er
läßt die Kräfte in einer Weise fließen, daß sie sinnvoll eingesetzt werden und
ihr die Aspekte eures Lebens so aussuchen könnt, damit mehr Freude, mehr
Zufriedenheit und mehr Erfüllung in
eurem Leben auftaucht.
Wie ihr wißt,
gestaltet ihr als Menschen, egal ob bewußt oder unbewußt, euer ganzes Leben,
all das, was auf euch zukommt, alle Menschen, die ihr trefft, alle
Geschehnisse, "die euch passieren". All das gestaltet ihr selbst, mit
euren ureigensten Kräften, wohl mit Unterstützung und wohl immer in Verbindung
mit all dem was ist, aber trotzdem, ihr gestaltet eure eigene höchstpersönliche
Realität mit euren inneren Energien.
Mit einem
solchen inneren Beobachter seid ihr in der Lage, tatsächlich euer Innenleben
und aber auch euer äußeres Leben zu gestalten, die Ereignisse und Begegnungen
anzuziehen, zu erschaffen, die euch entsprechen, die euch das Gefühl von
Erfüllung und einen Sinn in diesem Leben geben.
In der Tat ist
die momentane menschliche Entwicklung, die bewußtseinsmäßige Entwicklung hier
derart ausgerichtet, daß die Menschen lernen, ihre Energien und Kräfte bewußt
zu gebrauchen, bewußt einzusetzen, d.h. auch bewußt ihr Leben zu gestalten. Das
ist Ziel nicht nur der momentanen Entwicklung, sondern des menschlichen Daseins
hier auf dieser Erde überhaupt.
Seid euch
dessen immer wieder bewußt. Ihr seid hier, um zu lernen, mit den euch zur
Verfügung stehenden Kräften, Energien und Impulsen umzugehen und sie kreativ zu
gebrauchen. Das ist der Grund eures Daseins.
Nun möchten
wir die Übung beginnen.
Ü b u n g
Wir beginnen
noch einmal mit Sichräkeln, ein bißchen Gähnen, tief Einatmen, je nachdem, was
euch gerade entspricht.
Spürt in euren
Körper hinein! Was braucht er? Wie tief müßt ihr atmen, um euch zu befreien?
Wie müßt ihr euch bewegen, um euch zu entspannen?
Spürt! Geht in
Kontakt mit eurem Körper! Was tut euch gut? Welche Bewegung? Welche Atmung?
Atmet tief ein
zwischendurch! Gähnt vielleicht! Das Gähnen ist nicht zum Einschlafen gedacht,
sondern zum Entspannen!
Fühlt euch
möglichst wohl in eurem Körper! Versucht ihn zu genießen!
Beginnt jetzt
schon einmal zu beobachten, was in euch passiert, wenn ihr einatmet, wenn ihr
euren Körper ein bißchen bewegt! Spielt ein bißchen herum mit dem Atmen, mit
Gähnen, mit Dehnen des Körpers! Und beobachtet, was dabei passiert!
Fühlt ganz in
euch hinein! Beobachten heißt auch zu spüren, was ihr braucht, was euch gut
tut!
Dann stellt
euch vor, ihr atmet ein und atmet dahin in euren Körper, wo vielleicht etwas
verspannt ist! Und laßt mit dem Ausatmen die Verspannung los! Beobachtet euch
dabei!
Und jetzt
möchten wir euch bitten, den heutigen Tag in Gedanken noch einmal durchzugehen,
euch an bestimmte Momente des Tages zu erinnern, diese so exakt wie möglich zu
erinnern, genau in die Vergangenheit zu gehen und aus dem Jetzt heraus zu
beobachten. Was war da? Wie habt ihr
euch gefühlt in bestimmten Situationen? Was habt ihr gedacht? Welche Gefühle
sind aufgetaucht?
Nehmt euch
jetzt die Zeit, einzelne Situationen, in denen ihr euch heute befunden habt,
genau anzuschauen und euch dann zu fragen: Wollt ihr so sein, wie ihr in dieser
Situation wart?
Oder fragt
euch, ob es sinnvoll war, so gewesen zu sein oder so gehandelt zu haben!
Versucht, wenn
ihr in eine Situation geht, die Gefühle nachzuempfinden, die Gedanken
nachzuempfinden, die da waren! Beobachtet sie in erster Linie!
Untersucht
einfach, wie ihr heute wart!
Versucht es,
möglichst intensiv nachzuempfinden, indem ihr euch an die Gefühle erinnert und
euch gleichzeitig dabei beobachtet!
Nehmt euch so
an, wie ihr wart und beobachtet euch! Wenn ihr wollt, könnt ihr auch in
Situationen gehen, die ein paar Tage zurückliegen und die für euch wichtig
waren!
Und jetzt
kommt langsam wieder hierher zurück in diesen Raum! Laßt die Augen geschlossen
und spürt euren Körper!
Bewegt ein
klein wenig die Finger oder die Fußzehen! Dann beobachtet, indem ihr ganz wach
seid, wie die Finger oder die Zehen sich bewegen! Beobachtet!
Beobachtet,
wie ihr das macht!
Nehmt wahr,
daß ihr das beobachten könnt, daß ihr die Finger bewegen könnt und daß ihr das
gleichzeitig beobachten könnt, wie sich die Finger bewegen!
Jetzt nehmt
ganz langsam die Lunge voll Luft, atmet ganz langsam tief ein und beobachtet
dabei, was mit dem Körper geschieht und atmet wieder aus!
Und jetzt
atmet normal und versucht die Atmung zu beobachten! Seid ganz wachsam,
aufmerksam und geht mit eurem Bewußtsein ganz zu eurer Atmung! Beobachtet sie
einfach!
Und jetzt
denkt an etwas Schönes, an etwas für euch besonders Schönes! Erinnert euch an
einen schönen Ort oder an eine schöne Begebenheit oder denkt euch einfach etwas
Schönes aus!
Dann
versucht F r e u d e dabei zu empfinden! Versucht euch einfach an
diesem Schönen zu freuen! Laßt dieses Gefühl von Freude in euch entstehen,
indem ihr euch einfach freut, daß ihr euch etwas Schönes vorstellen könnt!
Beobachtet,
daß ihr dieses Gefühl erzeugen könnt!
Nehmt die
Freude in euch wahr, beobachtet die Freude in euch, nehmt diesen Teil wahr von
euch, der sich freuen kann! Vielleicht nehmt ihr auch noch einen anderen Teil
wahr von euch, der sich nicht freuen kann! Beobachtet einfach!
Beobachtet
diesen höchst individuellen Teil in euch, der sich freuen kann, oder was auch
immer da auftaucht!
Und jetzt laßt
davon ab! Laßt jetzt Ä r g e r in euch entstehen! Stellt euch vielleicht
etwas vor, worüber ihr euch ärgern könnt! Verzieht etwas euer Gesicht, werdet
etwas grimmig! Laßt dieses Gefühl entstehen und beobachtet euch dabei!
Nehmt wahr,
daß ihr das könnt! Nehmt wahr, daß ihr Ärger in euch erzeugen könnt!
Fühlt diesen
Ärger! Spielt damit! Seid ein bißchen ärgerlich und beobachtet euch!
Und jetzt laßt
den Ärger! Atmet ein paarmal tief ein! Befreit euch von dieser Energie und
beobachtet euch dabei!
Das Thema der
momentanen Übung ist Beobachten, d.h. beobachtet euch jetzt einfach, wie ihr
ruhig daliegt oder dasitzt! Beobachtet, daß da Gefühle sind, daß da Gedanken
kommen! Seid ganz wachsam! Seid im Hier und Jetzt! Ganz hier in euch und ganz
wachsam!
Denkt jetzt an
euren Namen, an euren Vornamen und sagt ihn innerlich und spürt, wie er sich
anfühlt, euer Name, was für einen Bezug ihr zu eurem Namen habt! Beobachtet,
nehmt wahr, was da in euch auftaucht, wenn ihr euren Namen denkt!
Wie denkt ihr
über die Person, die so heißt, über diesen Namen? Wie fühlt ihr über diesen
Namen? Beobachtet das!
Welche Haltung
taucht da auf in euch ? Welches Gefühl? Beobachtet das! Ihr heißt so!
Nun denkt noch
einmal an den Teil, der sich ärgern kann und seid dabei etwas distanziert zu
diesem Teil! Denkt an diesen Teil und schaut ihn aus der Entfernung heraus, an
diesen Teil, der sich ärgern kann oder der sich vielleicht auch gerne ärgert!
Dann denkt im
Gegensatz dazu an diesen Teil, der sich freuen kann! Nehmt diese Teile einfach
wahr! Nehmt wahr, daß sie in euch existieren!
Schaut dann,
was gibt es da noch für wichtige Teile in euch, Teile, die mit Gefühlen
verbunden sind, vielleicht mit starken Gefühlen verbunden sind!
Schaut es euch
einfach an und registriert, was da ist in euch! Nehmt die einzelnen Teile als
kleine Persönlichkeiten in euch wahr, der eine Teil so, der andere so, der
nächste Teil so! All das sind Teile von euch!
Und vielleicht
könnt ihr auch wahrnehmen, daß es da noch viel, viel mehr Teile gibt in euch.
Schaut sie euch einfach aus der Distanz heraus an!
Lernt euch
selbst kennen! Gewinnt einen Überblick
über euch! Werdet euch bewußt, was da in euch ist, welche Gefühle, welche
Teile, welche Muster!
Gut! Damit
möchten wir diese Übung beenden, aber euch bitten, noch in dieser Wachsamkeit
zu bleiben, in diesem Punkt des Beobachtens zu bleiben! Laßt die Augen noch
eine Weile geschlossen und hört uns noch zu !
Atmet
vielleicht einmal tief durch! Vielleicht müßt ihr euch ein wenig bewegen oder
umsetzen!
Vielleicht
wollt ihr auch die Augen öffnen. Das ist in Ordnung!
Dann geht noch
einmal, wenn das euch entspricht in diesen Beobachter, diese ganz wachsame
Position in euch und lauscht unseren Worten!
Im Beobachter
zu sein, bedeutet, sich selbst und seine Gefühle wahrzunehmen. Es bedeutet
sagen zu können: Da ist Ärger in mir! Da ist Traurigkeit in mir! Es bedeutet,
sagen zu können: Da ist Schmerz in mir! Da ist Freude in mir!
Der
Unterschied dazu ist zu sagen: Ich ärgere mich! Ich bin wütend! Ich bin traurig!
Wenn ihr das tut, dann identifiziert ihr euch mit dem Gefühl. Es gibt keinen
Beobachter mehr. Ihr seid richtig ärgerlich z.B. und damit unfrei.
Wenn ihr aber
aus dem Beobachter heraus wahrnehmen könnt, daß da Ärger in euch auftaucht,
dann könnt ihr ärgerlich werden und trotzdem aber eine gewisse Distanz zu eurem
eigenen Ärger aufrecht erhalten. Ihr nehmt sozusagen wahr, wie ihr ärgerlich
werdet, werdet vielleicht kurz richtig ärgerlich und könnt dann sagen, das
reicht. Oder ihr wollt vielleicht gar nicht mehr ärgerlich werden.
Der Beobachter
ist sich dessen bewußt, daß es viele Teile und viele Gefühle gibt in euch. Er
steht für das Gesamtbewußtsein von euch. Er ist der Punkt der Freiheit. Er ist
ganz wach, ganz aufmerksam, registriert alles, ist ganz da. Wenn ihr Beobachter
seid, wißt ihr, was mit euch geschieht. Ihr lernt euch kennen und könnt euch
dann verstehen lernen. Wenn das Verständnis von euch selbst wächst, könnt ihr
eure Energien, eure Gefühle lenken, beeinflussen, wenn ihr das wollt.
Der Beobachter
kann z.B. sagen: Ich möchte heute mehr Fröhlichkeit erleben. Ich möchte heute,
daß mehr Lebendigkeit auftaucht.
Abschließend
wollen wir sagen, daß "im Beobachter sein" darf kein Zwang werden.
Ihr müßt euch nicht ständig beobachten. Ihr müßt nicht krampfhaft versuchen,
euch zu beobachten. Dann werdet ihr künstlich, steif und verspannt euch. Was
ihr tun könnt, ist immer wieder, wenn es euch einfällt, die Position des
Beobachters einnehmen, euch selbst wahrnehmen. Dadurch wird eine solche Kraft,
die Position des Beobachters, ganz natürlich wachsen.
Damit möchten
wir unseren Teil beenden und euch die Möglichkeit zu fragen geben. D.h. ihr
könnt euch aufsetzen und einfach schauen, ob da Fragen sind.
F r a g e n
Teilnehmer: Ich habe eine
Beobachtung gemacht, als die Freude angesprochen wurde, die ich vor längerer
Zeit schon gemacht habe und wieder vergessen hatte, und zwar war eben auch der
andere Teil da: Darfst du das? Freude, aber nicht für mich! Und ich frage mich:
Ist das so ein Mechanismus, mit dem ich einfach Gefühle grundsätzlich
kompensiere oder klein halte?
Stefan II: Ja! Das könnte man so sagen. Das haben
vielleicht auch andere bemerkt, daß Freude empfinden nicht einfach geht, daß
Ärger empfinden viel leichter funktioniert.
Wie geht man dann damit um, das abzustellen?
Der erste
Punkt ist erst einmal wichtig, daß ihr das wahrnehmen könnt, daß es
möglicherweise Mechanismen oder Strukturen oder Muster in euch gibt, die
verhindern, daß ihr euch einfach freuen könnt, sinnlos, ohne Grund, einfach
Freude empfinden könnt, daß das nicht so einfach geht. Das ist wichtig.
So etwas z.B.
könntet ihr aufschreiben. Und dann könntet ihr euch fragen: Womit hängt das
zusammen? Warum kann ich mich nicht einfach freuen, mich frei fühlen und
freuen, obwohl ich keinen Grund habe, aber einfach mich frei fühlen und freuen,
warum geht das nicht? Ihr könntet euch fragen, woher das kommt.
Schon allein,
daß ihr die Frage an euch stellt, schon allein dadurch, daß ihr intensiv fragt,
vielleicht die Frage auch auf ein Papier oder in ein Buch schreibt und diese
Frage in euch tragt, bringt euch der Antwort näher. Wenn ihr immer mal wieder
an diese Frage denkt, warum das nicht geht, in der klaren Absicht: 'Ich will
das wissen, was da in mir los ist, ich will das unbedingt herauskriegen, warum
das nicht geht!' dann wird euch irgendwann eine Antwort kommen. Oder vielleicht
habt ihr einen Traum dazu, oder es wird euch mit der Zeit immer klarer, warum
das nicht geht.
Vielleicht gab
es Situationen, in denen ihr euch nicht freuen durftet, einfach so, nicht wahr.
Vielleicht gibt es einen allgemein moralischen Zusammenhang. Einfach albern
sein grundlos, wo kämen wir denn da hin, wenn das jeder tun würde? Vielleicht
gibt es so etwas. Vielleicht wird man für verrückt erklärt, wenn man sich
einfach grundlos freuen kann. Der oder die kann ja nicht ganz richtig sein! Ja,
es gibt so etwas. Es ist so etwas wie ein Wertesystem.
Beschäftigt
euch einfach mit dieser Frage, persönlich vielleicht und allgemein. Auf jeden
Fall gibt es Gründe dafür, daß ihr euch nicht einfach freuen könnt. Was ihr
auch tun könnt, ist ganz klar zu sagen: Ich will mich davon befreien, und ich
will mich einfach freuen können, weil ich das möchte, ganz frei. Dieser innere
und klare Entschluß wird auch den Weg dafür öffnen, wird die inneren
Energiebahnen frei machen dafür, daß ihr euch einfach grundlos freuen könnt.
Weiter, persönlich für dich, können wir das zusammen noch anschauen.
Ja! Ich habe auch schon eine ganz massive Erfahrung, die mir
hochkommt, wo man mich wegen grundlosen Lachens vor ein Kriegsgericht bringen
wollte.
Ja, eine
solche Erfahrung prägt natürlich. Aber so etwas zu wissen und dann
wahrzunehmen, daß man nicht einfach sich freuen kann, und sich dann zu
entscheiden, ich will da heraus, ist genau der Weg, den ihr gehen könntet.
Ihr lernt euch
kennen, ihr werdet euch bewußt, was da für Muster in euch sind, ihr nehmt
vielleicht wahr, was Verursachendes es da gibt, und entscheidet euch dann, es
zu durchbrechen. Das ist der Weg. Ihr lernt euch selbst kennen. Ihr werdet euch
bewußt darüber, was in euch stattfindet, wie eure Psyche, eure Gefühle
funktionieren, wie sie fließen oder wie sie nicht fließen. Das ist der Weg.
Dadurch werdet ihr bewußt. Dadurch könnt ihr persönliche Freiheit erlangen.
Gibt es noch
weitere Fragen?
Teilnehmer: Ja! Bei
manchen Gefühlen, z.B. bei S c h m e r
z , fällt es mir schwerer in den Beobachter zu gehen und Abstand zu gewinnen,
während bei anderen Gefühlen geht es vielleicht schneller. Und es ist wie so
eine Verhakung manchmal dabei. Was kann mir helfen, in den Beobachter zu gehen?
Stefan II: Nun, der wesentliche Aspekt dabei ist
sich zu entscheiden, es zu wollen und einfach immer wieder zu tun. Was hilft
sich selbst wahrzunehmen, ist sich selbst
a n n e h m e n , d.h. wenn ihr Schmerzen habt und ihr wollt diesen
Schmerz nicht haben, ihr wollt ihn
wegschieben, ihr wollt ihn nicht sehen, ihr wollt ihn nicht spüren, dann findet
so etwas statt wie ein i n n e r e
r K a m p f gegen den Schmerz. Ihr wollt den Schmerz
nicht, da tritt eine innere Verweigerung, eine innere Oppositionshaltung auf.
Wenn ihr das
tut , geht ihr in eine der spezifischen Haltungen, in einen der spezifischen
Teile von euch hinein. Ihr werdet zum Widerstand gegen euch selber, gegen den
Schmerz, und das ist das Gegenteil von Beobachtung.
Wenn ihr den
Schmerz annehmt und wenn ihr da hinschaut, dann geht ihr in den Beobachter. Wir
wissen, daß dies nicht ganz einfach ist, aber ihr könnt feststellen, daß wenn
ihr euch hinsetzt oder hinlegt und euch auf einen Schmerz konzentriert, den ihr
habt, wenn ihr da ganz bewußt hinschaut, ganz bewußt bei diesem Schmerz bleibt,
da hineinspürt, da hingeht mit eurer ganzen Aufmerksamkeit, dann wird der
Schmerz geringer.
Eure
Aufmerksamkeit, euer b e w u ß t e s H i n s c h a u e n birgt einen Energiefluß, einen heilenden
Energiefluß in sich. Wenn ihr einen Schmerz anschaut, wenn ihr euch darauf
konzentriert, dann öffnet ihr euch für diesen Schmerz, und der Schmerz kann
sich lösen. Bei Schmerz will der Körper, daß ihr da hinschaut. Es ist ja ein
Schrei des Körpers, ein Aufschrei, wo der Körper sagt: Guck hierher! Schau
hierhin! Hier ist etwas! Das Knie oder der Fuß oder was auch immer schreit und
will, daß ihr da hinschaut.
Durch die
Beobachtung, durch das Wahrnehmen kann es eine Erlösung geben. Vielleicht
tauchen Bilder auf, Erinnerungen, Gefühle, womit der Schmerz zusammenhängt,
warum er entstanden ist, warum er da ist. Dadurch gibt es Verständnis,
Bewußtsein entsteht, und es kann eine Erlösung geben.
Ist das so
befriedigend für dich? Versuch das einmal, wenn ihr Schmerzen habt! Wieder,
verkrampft euch nicht dabei! Verurteilt euch nicht, wenn es nicht gleich geht!
Es ist nicht ganz einfach, sehr konzentriert mit seiner Aufmerksamkeit
umzugehen. Das habt ihr vielleicht jetzt auch in der Übung schon gemerkt. Es
kann anstrengend werden, sich zu konzentrieren. Aber es gibt so etwas wie einen
ganz sanften Beobachter, wobei die Beobachtung ohne Anstrengung funktioniert.
Ich würde gerne noch eine Frage stellen.
Ja!
Und zwar ich merke, daß ich mich in meinen Gefühlen so
abhängig mache von Menschen außerhalb. Ich weiß, daß sie nur, was heißt nur,
etwas anregen in mir, in meinen Gefühlen. Obwohl ich das weiß, fühle ich mich
trotzdem unfrei von meinen Gefühlen, die ein anderer Mensch hervorruft. Und ich
will das eigentlich nicht.
Andere
Menschen, die euch begegnen und die starke Gefühle in euch hervorrufen,
Gefühle, die ihr auch nicht einfach abstellen könnt, vielleicht auch nicht
abstellen wollt, diese anderen Menschen sind immer S p i e g e l für euch.
Spiegel heißt in dem Zusammenhang, die anderen Menschen haben eine Qualität,
spiegeln euch etwas, das euch fehlt. Wenn da Abhängigkeit ist oder vielleicht
so etwas wie Bedürftigkeit, dann deswegen, weil der andere Mensch eine Qualität
symbolisiert oder in sich hat, die ihr auch gerne hättet. Es passiert so etwas
wie der Wunsch, ganz zu werden. Trifft das in deinem Fall zu?
Teilweise. Es ist mehr die Angst vor Trennung von diesem
Menschen.
Nun auch da
spiegelt dir dieser Mensch eine Qualität, eine Lebensqualität, die du im
Zusammensein mit ihm erleben kannst. Dieser Mensch erzeugt eine bestimmte
Qualität in dir. Dieser Mensch zeigt dir diese Qualität in dir, d.h. er
spiegelt dir diese Qualität. Im Grunde ist sie in dir. Du suchst sie aber im
außen. Wenn du diese Qualität in dir entwickeln kannst, für dich, dann wird
dieses Abhängigkeitsgefühl verschwinden.
Nun, das ist
nicht einfach, das wißt ihr alle. Es ist nicht einfach, seine Gefühle immer zu
beobachten, es ist nicht einfach, starke Gefühle zu beobachten und schon gar
nicht, sich davon zu distanzieren Es
ist nicht etwas, das ihr von heute auf morgen lernen könnt, sondern das ist
etwas, das entstehen muß mit der Zeit.
Teilnehmer: Ich würde
gerne jetzt noch mal etwas zum Schmerz sagen, nicht ein seelischer Schmerz, ein
Gefühl von Schmerz, sondern ich habe in der Entspannung eben den linken Fuß
oder das linke Bein überhaupt nicht still halten können. Es war so schlimm und
so quälend, daß ich das praktisch nur in den Griff kriegte, indem ich alle
Muskeln ganz stark angespannt habe,
dann war es ein Weilchen besser, und nach einer Zeit ging es wieder von vorne
los. Ich habe überhaupt nicht ruhig da liegen können.
Stefan II: Kennst du dieses Gefühl?
Ja! Und das ist nicht am Tage, sondern in der Regel nachts
oder beim Schlafen. Und jetzt war ja auch wieder eine Entspannungssituation,
vergleichbar mit einer nächtlichen Schlafsituation. Ich weiß nicht, was das
ist.
Im Grunde ist
das Lebensenergie, Lebensenergie, die fließen möchte, die jetzt erst einmal als
Unruhe auftaucht, allgemein gesagt. Du kannst, indem du versuchst es
wahrzunehmen, versuchen zu spüren, was will das Bein, was will die Kraft, die
dein Bein zum Zittern bringt, was will die eigentlich.
Will die vielleicht
aufstampfen, oder will die um sich treten? Oder will die einfach rennen? Indem
ihr das genau beobachtet, indem ihr bei einem solchen Gefühl versucht
wahrzunehmen, was dahinter ist. Ist da Bewegungsdrang? Ist da Ärger? Ist da
vielleicht Aggression oder was auch immer?
Indem ihr das
genau beobachtet und auch das körperlich beobachtet, d.h. spürt, wo will dieses
Gefühl hin, wo will das Bein hin, das so zappelt und so unruhig ist. Was will
das im Grunde machen? Du versuchst es still zu halten. Versuche es zu lassen
und nimm wahr, was es gerne tun würde. Macht das Sinn für dich?
Ja, das totale Anspannen aller Muskeln macht die Sache
besser.
Aber das ist
Unterdrückung.
Die Muskeln anzuspannen ist Unterdrückung?
Ja! Du kämpfst
gegen dieses Gefühl an, gegen diesen Impuls. Dein Bein will etwas tun, will
sich irgendwie bewegen. Indem du es festhältst, unterdrückst du diesen Impuls.
Kannst du das nachempfinden, daß du diese Bewegung unterdrückst, unterbindest,
indem du das Bein anspannst.
Es ist einfach eine Erleichterung in der Anspannung.
Da gibt es
etwas in dir, das diesen Impuls, das, was das Bein gerne tun würde, nicht
zuläßt. Du hast das Gefühl, daß das Bein im Grunde weglaufen will.
Ja! Das ist jetzt vom Kopf her interpretiert.
Aber ihr seht,
so kommt ihr schrittweise weiter. Du nimmst wahr, das Bein will weglaufen.
Jetzt könntest du dich fragen: Warum willst du weglaufen? In was für einer
Situation lebst du? Vor was willst du weglaufen? Wo willst du hin, vielleicht?
Ihr könnt euch solche Fragen stellen. Das genau zu erörtern, würde hier zu weit
gehen.
Aber ihr seht,
was passieren kann, indem ihr euch wahrnehmt. Dies war ein gutes Beispiel
dafür, wie ihr damit umgehen könnt, wenn da Impulse sind in eurem Körper, wenn
da Unruhe ist, aber auch wenn da ein Schmerz ist, wenn da z.B. Schmerz im
Nacken ist. Beobachtet diesen Schmerz im Nacken und versucht dann wahrzunehmen,
was will dieser Nacken eigentlich tun, was ist da für eine Energie in meinem
Nacken! Dadurch kommt ihr zu euch, lernt ihr euch kennen und werdet bewußt, was
da für Energien in euch sind.
Teilnehmer: Darf ich auch
eine Frage stellen?
Stefan II: Ja!
Ich habe keinen Ärger gespürt, auch keine Freude, nur
Schmerz und Traurigkeit.
Was macht das
mit dir? - Nimm es einfach mal so hin!
Es macht mich irgendwie traurig!
Ja! Nun, wenn
ihr so etwas wahrnehmt, ist es natürlich schmerzlich. Aber das zeigt euch, wo
ihr euch befindet. Jetzt könnt ihr euch oder kannst du dir in so einem Fall
überlegen, was du machst, ob du jemand um Hilfe bittest, ob du versuchst,
selbst da genauer hinzuschauen. Warum ist das so? Warum kannst du nicht Freude
oder Ärger empfinden? Warum geht das nicht? Wir würden dir empfehlen, wenn du
dich damit beschäftigen möchtest, wenn du mehr darüber wissen möchtest, suche
dir jemand, der dir dabei hilft, es herauszufinden.
Ich bin schon dabei es herauszufinden. Das ist unheimlich
schwer.
Ja! Wenn ihr
euch umschaut, das ist im Moment so, werdet ihr viele Menschen finden, die sich
mit sich beschäftigen in der Weise, und wir wissen, daß das schwierig ist,
manchmal. Aber es ist auch gewinnbringend. Ihr lernt euch kennen, und es gibt
immer Lösungen. Auch jetzt in deinem Falle können wir das nicht offen legen, es
würde den Rahmen hier sprengen.
Teilnehmer: Du hast gesagt,
wir sollten uns unseren Namen
vorstellen. Ich denke, jeder hat seinen Namen so erlebt, wie er angesprochen
worden ist von den Menschen, die ihm am meisten bedeuten. Wenn das jetzt
negativ klingt, dieser Name, innerlich, ja, und vielleicht immer noch so
klingt, umtaufen ist ja wohl nicht der richtige Weg.
Stefan II: Die Tatsache, daß da andere Menschen
waren, die deinen Namen in negativer, unschöner Weise ausgesprochen haben ...
Zu ernst, meine ich, zu ernst, zu hart!
Daß das jetzt
auftaucht als Erinnerung, ist im Grunde genommen ein Spiegel dafür, wie du zu
deinem Namen stehst oder zu deiner Person mit diesem Namen. Dieses Bild
spiegelt dir einfach diese Tatsache. Du hast nun die Möglichkeit, dich zu
entscheiden, deine Einstellung zu diesem Namen zu ändern, indem du versuchst,
liebevolle, auch freudige Gefühle zu diesem Namen zu entwickeln, zu sagen, ich
stehe zu diesem Namen, ich mag diesen Namen, ich will so heißen.
Wenn das aber nicht geht, wenn dir das nicht
gelingt, wenn so etwas entsteht wie "Der Name gefällt mir grundsätzlich
eigentlich nicht", dann ist umtaufen schon der richtige Weg. Jeder Name
hat eine bestimmte Energie. Der Klang des Namens symbolisiert bestimmte
Energien, und es kann sein, daß diese Energien nicht zu euch passen. Dann mag es
richtig sein, sich eine anderen Namen zuzulegen.
Damit möchten
wir für heute abend schließen und euch viel Wachsamkeit, viel Aufmerksamkeit
wünschen und viel Spaß dabei, euch selbst kennen zu lernen. Nehmt das als
spannende Aufgabe!